Jingle Bells ist All-gegenwärtig
Man darf den Titel des Artikels wörtlich nehmen und diese Geschichte kannte selbst ich noch nicht. Also erzähle ich sie heute, passend zum Jubiläum des ‚Zwischenfalles‘.
Mitte Dezember 1965 machten sich an Bord von Raumschiff Gemini 6 die Astronauten Walter Schirra und Tom Stafford auf den Weg ins All zu einem Treffen mit Gemini 7, welches schon 11 Tage eher gestartet war.
Sechs Stunden nach dem Start von Gemini 6 kam es dann zu dem futuristischen Rendevouz im All, rund 300 Kilometer über den Marianen-Inseln näherte man sich bis auf 3 Meter dem Schwesterschiff an und plänkelte über Funk ein wenig.
„Junge, Junge, euer Laden sieht ja wirklich verboten aus“, ließ Schirra die Besatzung von Gemini 7, Frank Borman und Jim Lovell, die schon fast zwei Wochen um die Erde kreisten, über Sprechfunk wissen. „Ihr habt’s gerade nötig“, funkte Borman zurück. Und zum erstenmal seit zwölf Tagen drang ein knappes Gelächter aus dem All. Natürlich machte man dabei auch ein paar Fotos; das Kabelgefitze an Gemini 7 ist nicht zu übersehen. Mehr über das Treffen kann man im Spiegel-Archiv nachlesen…
Nach der geglückten Mission lehnte sich Schirra entspannt zurück, die Besatzungen beider Raumschiffe gönnten sich ein Nickerchen nach der Präzisionsarbeit. Der Kalender zeigte den 16. Dezember 1965, und die zweiköpfige Besatzung bereitete sich auf die Rückkehr zur Erde vor. Alles schien normal zu sein bis…
Kurz vor dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre meldete sich plötzlich Schirra bei Mission Control mit einem eher ungewöhnlichem Funkspruch und sorgte für Verwirrung:
„Gemini VII, this is Gemini VI. We have an obJect looks like a satellite going from north to south, probably in a polar orbit. He’s in a very low trajectory traveling from north to south and has a very high climbing ratio. It looks like it might even be a … very low. Looks like he might be going to reenter soon. Stand by one … You might Just let me try to pick up that thing. I see a command module and eight smaller modules in front. The pilot of the command module is wearing a red suit?!“
„Wir haben hier ein Objekt, sieht aus wie ein Satellit auf Kurs von Norden nach Süden, wahrscheinlich in polarer Umlaufbahn. Es ist auf einer sehr niedrigen Flugbahn […] und hat eine hohe Steigrate. Es sieht aus, als wäre es… ein bisschen. Sieht aus, als käme es bald zurück. Ihr könntet… Lasst mich versuchen, dieses Ding abholen. Ich sehe ein Kommando-Modul und davor acht kleinere Module. Der Pilot des Kommando-Moduls trägt einen roten Anzug?!“
Und noch während Houston überlegte, ob sie jetzt nicht doch ein Problem hätten, erreichte die Ohren der Mitarbeiter der Bodenkontrolle aus dem All über Funk etwas, das Ihnen wohlvertraut war: Sie hörten ‚Jingle Bells‘, gespielt auf einer Mundharmonika und passend begleitet von Gebimmel kleiner Glöckchen. Mit „Das war live, kein Band…“ beendeten sie die überraschende Aufführung.
Ohne das Wissen der Verantwortlichen im Kontrollzentrum hatten Schirra und Stafford es geschafft, extra für diesen Moment eine Mundharmonika und ein Schellenband an Bord des Raumschiffs zu schmuggeln.
„Wally kam auf die Idee“, erinnerte sich der pensionierte Air Force General Stafford. „Er konnte Mundharmonika spielen, und wir übten zwei oder drei Mal, bevor wir loszogen, aber natürlich haben wir den Jungs vom Boden nichts gesagt… “
Heute sind Mundharmonika und Glöckchen (1967 gestiftet von den beiden Witzbolden) zusammen mit anderen persönlichen Gegenständen, die Astronauten mit ins All genommen hatten, im Smithsonian National Air and Space Museum untergebracht. Nach Aussagen der Kuratorin Margaret A. Weitekamp waren dies die ersten Musikinstrumente, die je im Weltraum spielten. Schirra starb 2007 und Stafford 2024.
Di., 16.12. 2025, 00:08 Uhr | Tags: gemini, jingle bells
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